40 Jahre Gremienarbeit: Von damals und heute

Der Vorsitzende des GVK-Finanzausschusses, Hans-Albert Stechl, leistet seit 1983 ehrenamtlich Gremienarbeit, zuerst im SWF-Rundfunkrat und seit 1998 im Verwaltungsrat des heutigen SWR. Im Interview teilt er Erinnerungen und erklärt, welche Themen der Aufsicht in den kommenden zwei Jahren für ihn wichtig sind.

1. Sie sind schon lange Teil der GVK: Wie hat sich die Rolle der Gremien über die Jahre verändert?

In keiner Branche ist in den vergangenen Jahrzehnten ein Stein auf dem anderen geblieben. Auch bei uns nicht. Mit einer – entscheidenden – Ausnahme: Unser Grundauftrag gilt unverändert, nämlich Tag für Tag bestes Programm (Bildung, Information, Beratung, Kultur, Unterhaltung) politisch und ökonomisch unabhängig für alle Teile der Bevölkerung zu produzieren. Und das ist heute im Zeitalter von Fake-News, Filterblasen und dominierenden Einflüssen rein ökonomisch orientierter internationaler Plattformen wichtiger denn je.

Dabei war die Wirksamkeit der Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Das erinnert mich an die Zeit um das Jahr 2004 herum, als die Funktionsfähigkeit des binnen-pluralen Kontrollsystems durch Ehrenamtliche bezweifelt, mehr Kontrolle über die Gemeinschaftsaktivitäten gefordert und ein Gegengewicht zur Intendantenkonferenz auf ARD-Ebene gefordert wurde. Im Ergebnis hat das zu einer enormen Stärkung der Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) und deren Verankerung in der ARD-Satzung geführt und zur Einrichtung einer eigenen festen GVK-Geschäftsstelle. Ohne diesen ausgezeichnet arbeitenden (aber tendenziell immer unterbesetzten) Support wäre für uns Ehrenamtliche die Arbeit gar nicht zu leisten. Dasselbe gilt für die Gremiengeschäftsstellen in den einzelnen Landesrundfunkanstalten.

Mit dem im Sommer 2023 in Kraft tretenden, mittlerweile dritten und dem darauffolgenden vierten Medienänderungsstaatsvertrag wird die Medienpolitik die Rolle der Aufsichtsgremien insgesamt weiter stärken. Künftig obliegt es Rundfunkräten darüber zu entscheiden, ob und welche der sieben dann nicht mehr linear beauftragten Fernsehprogramme gegebenenfalls ins non-lineare überführt, eingestellt oder ausgetauscht werden. Die Gremien werden außerdem künftig Richtlinien für die Qualität der Angebote erlassen und sich über Anstaltsgrenzen hinweg verstärkt mit Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie einer vergleichenden Kontrolle der Ressourceneffizienz befassen.

Das heißt im Ergebnis, dass die Arbeit für uns Ehrenamtliche ständig zunimmt und herausfordernd ist wie nie zuvor. Dazu zwei Anmerkungen: Wer darüber jammert, sollte sich einen gemütlicheren Job suchen. Und es kommt aus meiner Sicht noch schärfer: Wenn wir nur das machen, was wir machen müssen, also das, was uns gesetzlich aufgetragen ist (und das ist eh schon eine Menge), dann machen wir definitiv zu wenig. Wir müssen eigene Initiativen weit über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus ergreifen – mit eigenen Ideen aus den Gremien heraus oder mit der konstruktiv-kritischen Begleitung von Initiativen der Operative.

Dazu zwei Beispiele aus dem SWR, weil ich den halt am besten kenne. Erstens: Nirgends stand geschrieben, dass wir die beiden SWR-Symphonie-Orchester fusionieren sollen. Wir haben es trotzdem aus eigener Initiative gemacht. Aus der Notwendigkeit heraus, zu sparen, ohne unseren kulturellen Auftrag zu schleifen. Wir haben dies durchgesetzt gegen den brutalst möglichen Widerstand von weiten Teilen der Kultur-Szene. Im Ergebnis hat der SWR nun statt zwei hervorragender Klangkörper ein (auch von unseren ehemaligen Kritikern) umjubeltes Weltklasse-Orchester. Zweitens: Nirgends stand geschrieben, dass wir einen auf zehn Jahre angelegten, genau strukturierten und Jahr für Jahr von den Gremien genauestens überprüften Umbau- und Einspar-Prozess auf die Schiene setzen müssen. Wir haben diesen Weg aus Eigeninitiative eingeschlagen, weil wir wussten, dass wir nur so zukunftsfähig sein werden. Und heute stehen wir deshalb wirtschaftlich und mit schlankeren Strukturen besser da als je zuvor.

2. Was sind die wichtigsten Finanzthemen 2023/24?

Ganz aktuell: Ende April muss die ARD wie auch ZDF und Deutschlandradio turnusgemäß ihren Finanzbedarf für die Beitragsperiode 2025 bis 2028 anmelden, auf dessen Grundlage die KEF die Höhe des Rundfunkbeitrags ermittelt. Mit dem Gutachten zur Modernisierung des Verfahrens der Finanzbedarfsanmeldung und -ermittlung von Ebner Stolz aus dem Jahr 2021 hat die GVK wichtige Handlungsempfehlungen präsentiert, wie sowohl ARD-interne Verfahrensschritte als auch solche, welche die KEF und die Politik berühren, optimiert werden könnten. Der GVK-Finanzausschuss lässt sich in der Vorbereitungsphase zur KEF-Anmeldung regelmäßig über die strategischen Fragen auf ARD-Ebene informieren, letztlich kommt es aber darauf an, dass diese Fragen in den einzelnen Landesrundfunkanstalten mit der Aufsicht diskutiert werden.

Was die GVK schon eine Weile beschäftigt ist eine Reform der ARD-Governance. Konkret wird aktuell ein Public Corporate Governance Kodex (PCGK) erstellt. Sobald sich alle Anstalten auf diesen Kodex verpflichtet haben, werden durch Kontrolldefizite begünstigte Kungeleien zwischen Aufsicht und Operative, wie es sie beim rbb gegeben hat, kaum noch möglich sein.

3. Welches Potenzial haben ein ARD-weiter Kodex und Fortbildungsmaßnahmen für Gremien, die Aufsicht zu modernisieren?

Ein ARD-weiter Kodex bringt eine gleichbleibende Aufsichtstiefe und Aufsichtsqualität in allen Landesrundfunkanstalten auf der Höhe der Zeit. Ich bin überzeugt, dass dies die ARD mittelbar moderner macht. Gute Unternehmensführung und gute Aufsicht gehen Hand in Hand.

Auch wenn ich hoffe, dass eine modernere Aufsicht auch arbeitsökonomischer sein wird, so werden die neuen gesetzlichen Vorgaben doch auch zu Mehrarbeit der Aufsicht führen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Mitglieder der Aufsicht und das sie fachlich und organisatorisch unterstützende Personal regelmäßig fortbilden. Wir haben uns in der GVK bereits verständigt, hierzu einen Beitrag zu leisten und das Onboarding ehrenamtlicher Aufsichtspersonen durch gezielte Lernangebote zu erleichtern.

19.4.2023