"Jetzt muss das A in der ARD auch für Anpacken stehen"

Harald Freiling ist seit 2001 Mitglied im HR-Rundfunkrat, seit Februar als dessen Vorsitzender. Er reflektiert die jüngsten Beschlüsse der Intendanten/-innen auf ARD-Ebene.

1. Was bedeuten die angekündigten Kompetenzzentren der ARD für die Leistungsfähigkeit und die Unabhängigkeit der Redaktionen?

Mehr Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands ist eine alte Forderung der Gremien. Jetzt muss das A in der ARD aber auch für Anpacken stehen. Ich erhoffe mir von den Kompetenzzentren eine echte Bündelung der Expertise und Ressourcen in den Landesrundfunkanstalten, weniger Doppelungen und noch mehr Qualität. Wenn man die Menschen in den Redaktionen nicht nur "mitnimmt", sondern als die Profis für qualitativ hochwertige Recherche und Inhalte wirklich „beteiligt“, wird das langfristig die Leistungsfähigkeit der ARD erhöhen. Da die Redaktionen nicht gezwungen sind aus dem Inhalte-Pool zu schöpfen, sehe ich aktuell keine Gefahr für die Unabhängigkeit der Redaktionen – vielmehr Chancen für das Programm der Dritten und Synergieeffekte durch die stärkere Zusammenarbeit.

2. Worauf muss die Aufsicht in diesem Zusammenhang achten, um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden?

Die Länder haben der Aufsicht im Dritten Medienänderungsstaatsvertrag, der am 1. Juli in Kraft getreten ist, zwei Aufgaben noch einmal ausdrücklich ins Stammbuch geschrieben: die Verantwortung für die Qualität der Programme und die Verantwortung für Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Ressourceneffizienz. Das gilt es auszutarieren. Wenn gespart werden muss – und daran führt auch beim Personal weiter kein Weg vorbei –, dann darf das nicht zu Lasten der journalistischen Qualität gehen, sondern es muss priorisiert und entschieden werden, was man weglassen muss. Es gilt zu verhindern, dass Redaktionen ausbluten und das Gefühl bekommen: "Der oder die Letzte macht das Licht aus." Das geht nur mit der erwähnten Bündelung und wenn überall gespart wird: z.B. auch in der Führung, im Management, in der Steuerung.

3. Herr Gniffke sprach von einem hohen Tempo im Reformprozess der ARD, gleichzeitig setzt die GVK selbst Maßnahmen um. Wie ist die Arbeit von den ehrenamtlichen Gremienmitgliedern noch zu stemmen?

Es ist ja nicht nur der Reformprozess der ARD, der uns fordert. Der RBB-Skandal und die nicht unberechtigte Kritik an den Aufsichtsgremien haben auch im Rundfunkrat und im Verwaltungsrat des Hessischen Rundfunks dazu geführt, dass wir unser Selbstverständnis, die Prozesse und die Wirksamkeit der Aufsicht auf den Prüfstand stellen. Viele Kolleginnen und Kollegen in den Räten reagieren auf die vielen neuen Aufgaben mit dem Hinweis auf die begrenzten ehrenamtlichen Ressourcen. Die Länder haben aber in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht – aus meiner Sicht zu Recht – entschieden, die Aufsicht bei den ehrenamtlichen Räten zu belassen und nicht an professionelle Sachverständigenräte zu übertragen. Deshalb schauen wir auch auf das Programm mit dem Blick der Allgemeinheit und unsere Sprache ist nicht die der Medienwissenschaft. Positiv sehe ich dabei die Pflicht zur Fortbildung, den Ausbau der Gremiengeschäftsstellen und die Klarstellung zu den fachlichen Anforderungen an die Mitglieder der Verwaltungsräte. Medienwissenschaftliche oder betriebswirtschaftliche Expertise werden wir bei Bedarf einholen. Wir sollten zudem die entsendenden Organisationen stärker in die Pflicht nehmen: In der Tradition der Rundfunkräte waren es immer die Präsidenten und Vorsitzenden – ausdrücklich in der männlichen Form –, die bereits in ihren Hauptämtern komplett überlastet sind, aber in den Rundfunkrat geschickt werden, weil sie "wichtig" sind. Wir brauchen aber noch mehr Menschen, für die das Interesse an Medienpolitik im Vordergrund steht, die Zeit für Programmbeobachtung haben und auch in ihrer Unabhängigkeit von ihren Organisationen getragen werden.

12.7.2023